Konzertbericht Gießener Anzeiger von H. Schultz – Musik bei Vitos
Gießen: Gitarrist Michael Diehl zeigt bei „Musik bei Vitos“ sein Können
GIESSEN – (hsch). „Musik bei Vitos“ hieß es am Freitag zum immerhin 208. Mal. Die fest etablierte Reihe gibt es bereits seit zehn Jahren. Das erste Konzert im neuen Jahr spielte der Fingerstyle-Gitarrist Michael Diehl. Der hoch kompetente Musiker beeindruckte die Zuhörer in der Vitos-Kapelle im Handumdrehen und erntete höchste Anerkennung sowie reichlich Beifall.
Diehl wurde 1974 in Marburg geboren. Ab dem 16. Lebensjahr spielte er häufig mit verschiedenen Rock-Pop und Blues Bands, der VFL Big Band in Marburg und weiteren Projekten. Er studierte an der London Music School und im Anschluss an der „Future Music School“ in Aschaffenburg. Dabei hatte er Unterricht auch bei Michael Sagmeister, Joe Diorio und Mike Stern (Blood, Sweat & Tears). Er lebt in Braunfels und arbeitet auch im Duo „2injoy“ mit der Sängerin Florezelle Amend zusammen.
Als Erstes fällt sein klarer, runder und sauberer Sound auf, den er mit einer Bose-Säule und einem traditionellen Amp herstellt. Das erste Stück „Blues inside“ – Diehl spielt überwiegend eigene Titel – klingt nicht nur programmatisch. Hoch differenziert zeigt er, was die Besonderheit des Fingerpicking ist. Melodie und Begleitung werden gleichzeitig gespielt, zugleich können perkussive Elemente hinzukommen, und das Ganze kann sehr eindrucksvoll verschmelzen. Diehl groovt sanft dahin und stellt klar, welche Richtung der Abend nehmen wird. „A brewing for breakfast“ zeigt seinen Versuch, „den Duft von Kaffee am Morgen in Musik zu fassen.“ Das originelle und anspruchsvolle Unterfangen ergab einen sanft schwingenden Titel mit knackigem Rhythmus, zarten Melodielinien und einem deutlich erzählerischen Duktus. Kaffee, vermeinte auf seine Frage aber niemand zu riechen. Diehl vereint die Stärken des Genres, indem er die Vielfalt des Ausdrucks und das zuweilen atemberaubende Tempo des Spiels zu hoch emotionalen Stücken verarbeitet und konsequent dramaturgisch einsetzt. Die daraus resultierende Vielfalt lässt die Zeit wie im Fluge vergehen. In „Mr. Adam“ wird es wunderbar funky, und in „Break up“ kracht eine perkussive Breitseite ins Haus: Sehr gute Perkussionseffekte vereinen sich mit der Musik, der Titel rockt – schön laut, aber glockenklar -, und die Zuhörer sind aus dem Häuschen: Riesenbeifall und Pfiffe. Unmissverständlich narrativ musiziert er „Dark light“, in dem er den Tod eines Freundes verarbeitete, ein Glanzlicht des Abends. Den letzten der Höhepunkte hört man mit „Those who wait“ von Gitarrenstar Tommy Emanuel, einer betörend melancholischen Komposition. Diehl realisiert sie ganz sparsam, fast effektfrei und mit enormem emotionalem Tiefgang, dann noch zwei individuell realisierte Zugaben. Das Jahr fängt gut an für „Musik bei Vitos“.
(Quelle: H.Schultz – Gießner Anzeiger 2018)
Beitragsbild: H. Schultz