Gießen (axc). Wieder mal musste Rainer Römer, Leiter der »Musik bei Vitos«-Reihe, seine Ankündigung korrigieren. Seine Zerknirschung darüber war aber nur gespielt, denn die Änderung wertete den ohnehin schon niveauvollen Abend eindeutig noch auf. Im Programmheft waren unter der Überschrift »Time for Strings« Gitarrist Michael Diehl und Bassist Peter Herrmann angekündigt.
Dessen Familie hatte kürzlich Ghays Mansour beherbergt, der vor einer Woche in der Karl-Jenkins-Messe »The Armed Man« in der Bonifatiuskirche den wohl bewegendsten Satz a cappella gesungen und damit restlos begeistert hatte. Peter Herrmann war von der warmen Baritonstimme und der Musikalität des syrischstämmigen Mannes aus Mannheim so begeistert, dass er ihn spontan einlud, bei dem als Duo-Show geplanten Vitos-Abend dabei zu sein. Zu dritt agierten sie zwar nur bei der berührenden Zugabe, Peter Herrmanns »Rivers to Rivers«, aber schon bis dahin gab es in allen denkbaren Kombinationen höchst abwechslungsreiche Musik.
Peter Herrmann beginnt solo an der sechssaitigen Bassgitarre. Die stark verfremdeten Klänge mit orientalischem Flair gehen allmählich in Jim Croces Klassiker »Time in a Bottle« über, und schon den zweiten Song veredelt Ghays Mansours sanfte Stimme.
Temperamentvoller geht es mit Michael Diehl weiter, zunächst ebenfalls solo: Das mitreißende »Breakup«, erklärt er, brauche er zum Aufwärmen. Nette Untertreibung: Es ist schon einmalig, wie der Fingerstyle-Gitarrist klare Basslinien mit dem Daumen sowie Melodien und Rhythmen mit den anderen Fingern spielt – und gleichzeitig seine spezialangefertigte Westerngitarre als Perkussionsinstrument einsetzt: präzise und gezielte Schläge auf Saiten, Decke, Zarge und Boden entfachen ein derartiges Rhythmusfeuerwerk, dass man fast den Einsatz eines Loopers vermutet. Aber wie Peter Herrmann später bestätigt: »Aller Sound ist Holz.« Nur das Echo ist hinzugemischt. Es folgen, immer begleitet von sympathisch selbstironischen Anmerkungen, weitere Solo- oder Duo-Stücke (mit Herrmann): das bluesige »Crazy Lazy«, das funky »Never Give Up« oder das lyrische »We’ll Meet Again« (über Musiker, die er irgendwann »da oben« wiederzutreffen hofft)
Zwischendurch spielt Ghays Mansour Cajon zu Peter Herrmanns »Funny Words« und verlängert »Spikey’s Empire« mit seinem magischen arabischen oder auch wortlosen Gesang. Herrmanns Beiträge stammen meist von seiner »Dialogue«-CD, die Duette mit verschiedenen Musikern enthält. Auch Diehl präsentiert Neues, z. B. eine überraschende, wirklich gut gesungene Vokalnummer, sein erstes Liebeslied für seine Partnerin (»That Takes My Breath Every Day«).
Ghays Mansour kann ebenfalls auf ein – bald erscheinendes – Album verweisen, aus dem er gemeinsam mit Peter Herrmann ein Lied mit dem eingedeutschten Titel »Jeden Tag« präsentiert – einfach wunderbar. Herrmann und Diehl gönnen sich einen triefenden »Blues Inside«, bevor Michael Diehl zur Konzertgitarre mit Nylonsaiten greift und mit Peter Herrmann Stevie Wonders »I Wish« zelebriert. In dieser mitreißenden Nummer wechseln die beiden sich beim Rhythmus- und Solospiel ab und haben richtig Spaß. Das Stück hatten die zwei auch schon bei der Corona Kultur-Show im August 2020 gespielt. Leider ist dann, abgesehen von der schon erwähnten Zugabe, auch schon Schluss. Aber der nächste Gitarrenabend kommt bestimmt – bei Vitos am 20. März mit Ro Gebhardt. FOTO: AXC
Peter Herrmann (l.) mit Ghays Mansour und Michael Diehl. © Axel Cordes